Stadt und Kirchspiel Wolbeck
Die Chronik

Wolbecker Chronik für das Jahr 1924


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Fr 01.02.1924: Bei Joseph Tribus, Krummer Timpen 122, eröffnet eine Agentur des Münsterischen Anzeigers. Die Bewohner von Wolbeck erhalten die Zeitung daher jetzt täglich zweimal zugestellt.
Mo 04.02.1924: Bei Heinrich Homann im Kirchspiel Wolbeck stehen 99 Eichen, 4 Buchen und 1 Esche zum Verkauf.
Am selben Tag werden bei Sommer 18 Eichen und 35 Buchen verkauft.
Fr 08.02.1924: Der Landwirt Heinrich Everding jr. von Gut Holthausen rettet gegen Mittag eine 12jährige Schülerin, die in Münster auf dem Eis der Engelschanze eingebrochen war.
Sa 22.02.1924: Bei E. Müller in der Bahnhofstraße sind die folgenden Lebensmittel im Angebot: Margarine 0,46 RM pro Pfund; Kokosfett 0,58 RM pro Pfund; Rinderfett 0,50 RM pro Pfund; Schmalz 0,70 RM pro Pfund; Gouda 1,00 RM pro Pfund; Kernseife 0,16 RM das Doppelstück.
Sa 15.03.1924: Für die Firma "Wolbecker Holzbearbeitungsfabrik GmbH" (HR B 150) ist der Kaufmann Bernard Garthaus als Liquidator abberufen und an seiner Stelle der Münsteraner Tiefbauunternehmer Bernard Hülsbusch bestellt worden.
Sa 22.03.1924: In den Räumen der gewerblichen Berufsschule findet erstmals in Wolbeck die Gesellenprüfung der Bäckerinnung des Landkreises Münster statt.
So 23.03.1924: Für die Veranstaltung "Graute Schlemm" setzt die WLE einen Sonderzug ein, der Münster um 12:45 Uhr in Richtung Wolbeck verlässt.
So 13.04.1924: Auf einer Versammlung der Zentrumspartei im Saale der Witwe Lasthaus spricht der aus französischer Gefangenschaft zurückgekehrte Regierungsrat Jacob Isenrath.
Sa 19.04.1924: In der Nacht auf Karsamstag werden aus dem verschlossenen Hof des Elektromeisters Forsthove zwei Fahrräder und beim Fahrradhändler Dammann vier Fahrräder gestohlen.
Do 24.04.1924: Auf einer Wählerversammlung der BSPD spricht Albert Peters aus Münster.
Mo 28.04.1924: Heute wird die Angel abgelassen, was von der Bevölkerung mit Erleichterung begrüßt wird. Nach einem langen Winter mit einem sehr feuchten Frühjahr sind die Böden bisher nicht zu bewirtschaften.
So 04.05.1924: Bei der Reichstagswahl ergibt sich für die Wolbecker Gemeinden das folgende Ergebnis:
Wigbold: Zentrum 377, Sozialisten 45, Völkische 33, DVP 42, Kommunisten 30, DNVP 23, alle anderen Parteien unter zehn Stimmen
Kirchspiel: Zentrum 120, DNVP 21, alle anderen Parteien unter zehn Stimmen
So 25.05.1924: Beim Baden in der Werse bei Wolbeck ertrinkt am Sonntagnachmittag gegen 15:30 Uhr ein junger Mann aus Münster. Ein herbeigerufener Taucher kann den Ertrunkenen bergen, Wiederbelebungsversuche eines Arztes bleiben ohne Erfolg. Als Todesursache wird Herzversagen angenommen.
Do 12.06.1924: Wegen Erregung öffentlichen Ärgernisses verhaftet Oberlandjäger Ratz einen Mann aus Münster. Er hatte sich in Wolbeck sowie in den Außenvierteln Münsters wiederholt Frauen in schamloser Weise genähert.
Mo 23.06.1924: Die durch das städtische Wohlfahrtsamt zur Kur in das Walderholungsheim bei Wolbeck entsandten Kinder kehren heute mit dem Zug um 12:55 Uhr nach Münster zurück. Eine weitere derartige Rückfahrt wird für den 30. Juli verzeichnet.
Mo 07.07.1924: Die St.-Achatius-Bruderschaft feiert am Montag und Dienstag ihr diesjähriges Schützenfest. Neuer König wird der Händler und Ackerer Theodor Tripp. Der Küfer Theodor Lasthaus feiert sein 25jähriges Jubiläum als Bruderschaftsdiener und wird in einem bekränzten Wagen mit dem Senior der Bruderschaft bei der Polonaise durch den Ort gefahren. (Anmerkung: In den Quellen ist von einer "Agazibruderschaft" die Rede)
So 13.07.1924: Heute findet in der Stadt die Margarethenkirmes statt, am Folgetag ist Kram- und Viehmarkt.
Mi 16.07.1924: Beim Tierschaufest des landwirtschaftlichen Lokalvereins gehen die folgenden Preise nach Wolbeck:
Pferde (Kaltblut), 2jährige Fohlen: 3. Hohenkirch
Rindvieh, Bullen: 3. Jos. Hohenkirch
Fr 01.08.1924: Stadtinspektor Ludwig Schrickel aus Münster, der in Wolbeck zur Kur weilt, fängt in der Angel einen 17pfündigen, 1,09 Meter langen Hecht.
Di 05.08.1924: Im neuen Amtshaus kommen die Vertreter des Amtes und anderer beteiligter Behörden zur öffentlichen Einweihung des Gebäudes zusammen. Die kirchliche Weihe hatte bereits zwei Wochen zuvor stattgefunden.
Amtmann Böckers begrüßt den Landrat Graf von Westphalen, den Grafen Franz von Merveldt, Pfarrer Alfers, den früheren Amtmann Middeler, die Amtsbeigeordneten Bischoff und Dernebockholt, die beiden Architekten, die Gemeindevorsteher, die Mitglieder der alten und neuen Amtsversammlung sowie die Beamten und Angestellten der Amtsverwaltung.
Der Neubau des Amtshauses wurde auf dem vom Grafen Franz von Merveldt zur Verfügung gestellten Grundstück am Ortsausgang in unmittelbarer Nähe des Bahnhofes errichtet. Das Gebäude wurde nicht wie ursprünglich geplant in Backsteinarchitektur ausgeführt, sondern in Ibbenbürener und Hörsteler Sandstein. Diese Änderung hatte sich ergeben, weil ein Wolbecker Einwohner die erforderlichen Sandsteine aus seinem eigenen Bruch bei Hörstel geschenkt hatte.
Das Gebäude besteht aus Keller-, Erd-, Ober- und Dachgeschoss. Im Keller sind die Wirtschaftsräume sowie die Pumpanlage und die Waschküche untergebracht. Das gesamte Erdgeschoss umfasst die Geschäftszimmer des Amtes, der Amtskasse, Nebenräume, Toiletten und Warteräume. Im Obergeschoss liegt die Dienstwohnung des Amtmanns.
Der äußere Aufbau des Gebäudes ist in bearbeiteten Bossensteinen ausgeführt. Besonderer Wert wurde auf die Ausbildung des Eingangsportals und einen am Obergeschoss der Südseite ausgebauten Erker gelegt. Die Gartenfront ist einfacher gehalten und besitzt einen runden Treppenturm und zwei Balkone. Das wuchtige Mansardendach wurde mit roten Hohlziegeln gedeckt.
Erwähnenswert sind noch die Buntglasfenster mit Wappen und anderen Insignien, die künstlerische Aufteilung der Decken im Gebäude, die Kachelofenheizung und das in Bildhauerarbeit dargestellte Wappen von Wolbeck über dem Portal.
Die Leitung lag in den Händen der münsterischen Architekten Rüschenschmidt und Schräder.
An die offizielle Feier schließt sich ein Rundgang durch Haus und Garten an. Den Nachmittag und Abend verbringt man zusammen im Thierschen Gasthaus. In seiner abschließenden Rede warnt Dr. Lackmann vor den Bestrebungen der Stadt Münster, das Amt Wolbeck eines Tages aufzulösen und der Stadt anzugliedern.
Do 07.08.1924: Am Abend setzt Landregen ein, der bis zum Folgetag anhält und im Münsterland 60 mm Niederschlag bringt.
Di 19.08.1924: Die älteste Einwohnerin Wolbecks, Friederika Niehues, stirbt bei bester Gesundheit überraschend im Alter von 91 Jahren.
So 31.08.1924: Der August geht als regenreichster Sommermonat aller Zeiten in die Geschichte ein. An Werse, Angel und Ems stehen die Weiden und Äcker bis zu zwei Meter hoch unter Wasser. Die Bootshäuser an Werse und Ems sind bis über die Giebel im Wasser verschwunden. Die Verluste an Vieh sind zur Zeit noch unklar. Die Provinz Westfalen ruft den Notstand aus und kündigt massive Hilfsmaßnahmen an.
Mi 10.09.1924: In Münster beraten in einer Notsitzung der landwirtschaftliche Hauptverein für den Regierungsbezirk Münster in Gemeinschaft mit den Vorsitzenden der landwirtschaftlichen Kreisvereine und in Anwesenheit von Vertretern der Behörden, der Landwirtschaftskammer und des Westfälischen Bauernvereins über Maßnahmen zur entstandenen Notlage der Landwirtschaft im Münsterland.
Nach dem Bericht der Wetterstation sind im August im gesamten Münsterland im Mittel 198,3 Millimeter Regen gefallen. Die Roggenernte hat stark gelitten, das gerettete Korn kann jedoch nicht einmal zur Hälfte als Saatgut für das kommende Jahr verwendet werden. Die Ernte von Hafer, Sommergerste und Weizen ist zu 70-80 Prozent ausgefallen, alle Hülsenfrüchte und der Kleeanbau sind vollständig vernichtet. Bei Kartoffeln und Wurzeln wird eine geringe Ernte bei schlechter Qualität erwartet. Der zweite Grasschnitt ist ausgefallen. Die Weiden sind nicht nutzbar, die Bestellungsarbeiten für die Wintersaat können wegen der Nässe des Bodens nicht aufgenommen werden.
Die benötigten 57.000 Tonnen Saatgut sollen durch einen Sonderkredit in Höhe von 20 Millionen Mark bereit gestellt werden. Weitere Mittel werden für die Beschaffung von Stroh, Heu und Futterhafer für den Winter benötigt. Die Grundvermögenssteuer soll mit sofortiger Wirkung erlassen, die Einkommensteuer ausgesetzt werden. Sowohl Landwirtschafts- als auch Finanzministerium werden über die Beschlüsse telegrafisch informiert. Die Sitzung wird am Folgetag mit einer Besichtigung der Schäden vor Ort fortgesetzt.
So 12.10.1924: Unbekannte Täter dringen nachts in das Stationsgebäude der Westfälischen Landeseisenbahn ein und stehlen einiges an Kleingeld.
Mo 27.10.1924: Auf der Telgter Straße ereignet sich am Ortsausgang ein Autounfall, als ein Kraftwagen einen Prellstein rammt. An derselben Stelle war bereits drei Tage vorher ein Motorradfahrer gegen einen Baum gefahren und leicht verletzt worden.
Fr 16.11.1924: Unter dem Viehbestand von Salomon Hoffmann sowie Ewald Bischoff ist die Maul- und Klauenseuche ausgebrochen.
Di 25.11.1924: Im Lokal Lasthaus spricht der Reichstagsabgeordnete A. Janschek (Berlin) über die Wahlen am 7. Dezember.
Sa 29.11.1924: An der Landstraße von Wolbeck bis Kinnebrock brechen unbekannte Täter in der Nacht 25 neu angepflanzte Obstbäume ab und werfen sie in den Graben der Chaussee.
So 07.12.1924: Die Reichstagswahl ergibt für das Wolbeck das folgende Ergebnis:
Wigbold Wolbeck: Zentrum 444, Aufwertungspartei 24, Deutschnational 22, Deutsche Volkspartei 11, Sozialdemokraten 75, Kommunisten 10 Wirtschaftspartei 2
Kirchspiel Wolbeck: Zentrum 143, Aufwertungspartei 7, Deutschnational 13, Deutsche Volkspartei 8, Demokraten 2, Sozialdemokraten 7, Kommunisten 1 Wirtschaftspartei 1, Deutschvölkische 1
So 14.12.1924: Die St.-Nikolai-Bruderschaft feiert im Saal der Witwe Thier einen Festabend zu Ehren von Küfermeister Theodor Lasthaus, der seit 25 Jahren das Amt des Bruderschaftsdieners inne hat. Der große Saal kann die vielen geladenen Gäste der beiden Bruderschaften und der Teilnehmer aus Wigbold und Kirchspiel Wolbeck nicht fassen.
Der erste Scheffer Runtenberg feiert den Jubilar in einer kernigen Rede, während Gallenkemper die Amtstätigkeit in plattdeutschen Versen humorvoll beleuchtet. Theodor Lasthaus erhält einen Orden mit der Inschrift "Well 25 Joahr so trü hät Deenste dan, de will wi lang in Eahrn hoaln" sowie ein Diplom, das eine Ansicht des Wigbold und im Kopfornament eingeflochten das Insignium des Amtsträger, einen Bullenkopp, zeigt.
Der MGV "Eintracht" trägt unter der Leitung des neuen Dirigenten Bloech aus Münster zur musikalischen Unterhaltung der Feier bei. Abschließend spricht Dr. Lackmann anderthalb Stunden lang über die Geschichte Alt-Wolbecks.
An diesem Abend wird erneut die Gründung eines Heimatvereins Wolbeck gefordert, da man vor einigen Jahren Schwertstücke und Lanzenspitzen aus fürstbischöflicher Zeit aus Unkenntnis als Alteisen verkauft hatte. Zudem geht man davon aus, bereits mit einem einfachen Spaten die alte Burg Wolbeck, deren Lage genau bekannt ist, endlich zutage fördern zu können. Hauptaufgabe eines Heimatvereins soll daher sein, die systematische Sichtung des Materials und seiner Veröffentlichung zu leisten.
So 21.12.1924: Unbekannte Täter stehlen aus den Stallungen am Bahnhof Wolbeck einen Hahn und elf Hühner. Mehrere der gestohlenen Tiere waren vor zwei Jahren bereits einmal gestohlen worden, konnten jedoch lebend aus Bochum wieder herbeigeschafft werden. Diesmal schlachten die Täter ein Tier an Ort und Stelle.
Fr 26.12.1924: Der MGV "Eintracht" veranstaltet seinen traditionellen Theaterabend am zweiten Weihnachtstag mit dem Dreiakter "Noch ist die blühende, goldene Zeit". Die Hauptrolle des Knechtes Krögel spielt August Kruse.
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