Stadt und Kirchspiel Wolbeck
Die Chronik

Wolbecker Chronik für das Jahr 1928


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Mi 04.01.1928: In einem Rückblick auf Wolbeck im Jahre 1927 schreibt der "Münsterische Anzeiger" heute: "Auf dem Gebiete des Bauwesens ist die in den Vorjahren angebahnte Entwicklung im letzten Jahre nicht im gleichen Umfange fortgeführt. Von einem einzigen Neubau, Schwienheer in Kirchspiel Wolbeck, abgesehen, hat man sich im wesentlichen auf Um- und Erweiterungsbauten beschränkt. Leider haben die Häuser selbst und auch das Straßenbild durch den mehrfach zu beobachtenden Abbruch der Fachwerkfronten, an deren Stelle meist stumpfe Massivmauern ausgeführt werden, kaum gewonnen. In mehreren Fällen würden sich diese Schönheitsmängel durch ein Ausfugen der Wände (natürlich nur mit hellem Material!) leicht beheben lassen. Der dem Vermessungsdirektor Brandt-Münster in Auftrag gegebene Bebauungsplan konnte zu Anfang des Jahres fertiggestellt werden.
Von einer eigentlichen Arbeitslosigkeit war in unserer Gemeinde für den weitaus größten Teil des Jahres nicht die Rede. Erst infolge des einsetzenden Frostes wuchs die Zahl der Unbeschäftigten schnell auf 60 an. Mehrfach wurden aus der produktiven Erwerbslosenfürsorge Mittel für die Beschäftigung von Arbeitern an Chaussee- und Entwässerungsarbeiten in Anspruch genommen, so für die gründliche Drainierung der Petersheide, den Ausbau der Hiltruper Landstraße bis zur Gemeindegrenze. Im Kirchspiel wurde der Kreuzbach reguliert. Das schon seit Beginn des Jahres in Rede stehende Projekt des Chausseebaues Wolbeck-Angelmodde, der die neugebaute Landstraße Münster-Angelmodde auch für Wolbeck nutzbar machen würde, steht leider noch immer zur Besprechung. Auch die Chaussierung der Verbindungsstraße Wolbeck-Hiltruper Chaussee verdient zusammen mit der Werseregulierung und dem Brückenneubau bei Twenhöven energische Förderung.
Der vorsorglichen Tätigkeit der Gemeindeväter und des Amtmanns ist vor allem der Ausbau des Jugendheimes zu danken, das durch die Gemeinden vom Gesamtschulverband käuflich erworben ist und in seinem jetzigen Zustande die vielseitigen Anforderungen einer neuzeitlichen Jugendpflege recht wohl erfüllen kann. Es dient zunächst den Zwecken der Berufsschule, des Handarbeitsunterrichts und der Kleinkinderschule, die sich unter der Leitung der Clemensschwestern wachsender Beliebtheit erfreut - die Schulen umfassen durchschnittlich 25 Handarbeitsschülerinnen und 90 Kinder. Daneben gewährt das Heim an Sonntagnachmittagen Jungen und Mädchen Gelegenheit zu geselliger Unterhaltung und Bildung.
Die sportliche Betätigung der Jugend, die seit dem Anschluß an die deutsche Jugendkraft eine erfreuliche Entwicklung zeigt, sich aber bisher einseitig auf das Fußballspiel und nur im Sommer auf Leichtathletik erstreckte, soll jetzt auch nach der turnerischen Seite ausgebaut werden. Zu diesem Zwecke sind kürzlich, ebenfalls im Jugendheim, das durch die Einrichtung des zweiten Stockwerkes genügend Raum bietet, die notwendigen Geräte aufgestellt werden.
Einem dringenden und bei den hiesigen Verhältnissen nicht allzu schwer erfüllbaren Wunsch ist leider auch im vergangenen Jahre noch nicht entsprochen: die Schaffung einer anspruchslosen Badeanstalt für die Sommermonate. Die Freigabe einer Badeanstalt, wodurch die Gemeindevertretung erfreulicherweise bereits ihre Überzeugung von der Notwendigkeit einer solchen Einrichtung zum Ausdruck gebracht hat, genügt freilich keineswegs. Vor allem fehlt der weiblichen Jugend noch immer jede Möglichkeit, ungefährdet und ungestört die durch die Angel gebotene günstige Badegelegenheit auszunutzen.
Als besonders begrüßenswerte Neueinrichtung verdient die im letzten Jahr geschaffene Mütterberatungsstelle erwähnt zu werden.´, die lebhaft in Anspruch genommen wird.
Was schließlich noch die Instandsetzung der Pfarrkirche betrifft, so möchten wir nach dem energischen Anfang in der ersten Hälfte des letzten Jahres für das neue Jahr eine planmäßige Fortführung der Arbeiten und von den Mitgliedern des Kirchenbauvereins eine weitere treue Mitwirkung an der Lösung der zahlreichen noch bestehenden Aufgaben wünschen."
Fr 06.01.1928: Zur Aufführung der Operette "Gräfin Mariza" von Emmerich Kalman setzt die WLE einen Sonderzug ein, der in Lippstadt-Nord beginnt und auch in Wolbeck hält.
Sa 07.01.1928: Die Gemeindevertretung des Wigbold Wolbeck beschließt die Einführung der Biersteuer in Höhe von 1 Mark pro 100 Liter zum 01.01.1928.
Sa 07.01.1928: In der Reitprüfung Klasse A in der Halle Münsterland gewinnt die vierzehnjährige Edith Bischoff aus Wolbeck auf Consiezza den ersten Preis.
Do 26.01.1928: Nachdem ein Schöffengericht in Meppen am 22.01.1928 das Wolbecker Ehepaar Theodor Dammann und Maria bereits zu 14 Monaten Gefängnis verurteilt hatte, stehen die beiden nun in Münster vor Gericht. Sie waren als Klavierstimmer und -spieler durch die Gegend gezogen, hatten sich in Hotels und Gasthöfen einquartiert und waren nachts jeweils mit Diebesgut verschwunden, wenn die Rechnungen eine ansehnliche Höhe erreicht hatten.
Unter Berücksichtigung der bestehenden 29 Vorstrafen verurteilt das Gericht das 36 bzw. 28 Jahre alte Paar zu einer Gefängnisstrafe von 18 bzw. 3 Monaten.
Do 26.01.1928: Im Handelsregister des Amtsgerichts Münster ist die Firma "Centrale für landwirtschaftliche Bedarfsartikel GmbH" eingetragen worden. Das Stammkapital beträgt 20.000 Reichsmark. Gesellschafter sind Gutsbesitzer Ökonomierat Josef Brüning-Sudhoff in Amelsbüren und Gutsbesitzer Ewald Bischoff in Wolbeck.
So 29.01.1928: Nachdem die Gärtnerlehranstalt in Münster am Schiffahrter Damm errichtet werden sollte, scheitern die Verhandlungen zwischen Landwirtschaftskammer und Stadt Münster an der Weigerung der Stadt, für die Errichtung der Schule einen einmaligen Zuschuss von 20.000 Mark zu gewähren.
Nach einer Besichtigung der ehemals Garthausschen, später Noltenschen Besitzung, am Münstertor durch den Vorstand der Landwirtschaftskammer und der Möglichkeit des Ankaufs des benachbarten Nordhoffschen Hauses wird man sich kurzfristig mit der Stadt Wolbeck handelseinig. Bereits im März soll mit den geringfügigen baulichen Veränderungen begonnen werden, um die Schule bereits im Herbst 1928 eröffnen zu können.
Im weiteren Lauf soll auch die gartentechnische Abteilung der Landwirtschaftskammer von Münster nach Wolbeck verlegt werden.
Mo 05.03.1928: Die Gemeindevertretung des Kirchspiels Wolbeck beschäftigt sich mit der Ankündigung des Staatsministeriums, die Gemeinden Kirchspiel Wolbeck und Angelmodde aufzulösen und dem Wigbold Wolbeck zuzuschlagen.
Di 06.03.1928: Anlässlich des Volkstrauertages findet am Kriegerdenkmal eine Gedächtnisfeier statt.
Di 06.03.1928: Das Gericht verurteilt Elisabeth Bollmann aus Wolbeck wegen des Diebstahls zweier Gardinen beim Nachbarn zu einer Geldstrafe von 12 Reichsmark.
Mi 11.04.1928: Die Amtsvertretung tagt unter dem Vorsitz des Bürgermeisters Böckers. Genehmigt wird die Neuordnung der Besoldung der Beamten und Angestellten des Amtes. Wegen fehlender Mittel wird die Stellenschaffung eines hauptamtlichen Amtsbaumeisters abgelehnt.
Di 01.05.1928: Auf Veranlassung des Verkehrsverbandes Münsterland wird der Verkehrsverein Wolbeck gegründet, dem auch Angelmodde und Gremmendorf angehören. In erster Linie will man sich um die Gestaltung der Fährplane für Zug und Bus kümmern sowie um die ungenügenden Telefonverhältnisse an Sonntagen. Auch nach dem Erwerb zweier Triebwagen am 15.05.1928 hält man die vier Zugpaare an den Wochenenden für unzureichend, zumal nach wie vor ein Spätzug fehlt.
So 20.05.1928: Bei der Reichstagswahl ergibt sich das folgende Resultat:
Wigbold Wolbeck: Sozialdemokraten 71, Deutsch-Nationale 33, Zentrum 387, Deutsche Volkspartei 53, Kommunisten 6, Demokraten 19, Linke Kommunisten 1, Wirtschaftspartei 11, Christlich Nationale Bauernpartei 1, Volksrechtpartei 10, Christlich-Soziale 2.
Kirchspiel Wolbeck: Sozialdemokraten 5, Deutsch-Nationale 12, Zentrum 91, Deutsche Volkspartei 1, Kommunisten 1, Demokraten 6, Linke Kommunisten 1, Wirtschaftspartei 2, Christlich Nationale Bauernpartei 34, Volksrechtpartei 7, Kriegsopfer 1.
Mo 21.05.1928: In der Gastwirtschaft Sültemeyer findet die erste Generalversammlung des neugegründeten Verkehrsvereins Wolbeck statt.
Mi 23.05.1928: In der Wirtschaft Lasthaus soll das Haus des Ackerers Clemens Niehues, Eschstraße 207, meistbietend verkauft werden.
Fr 25.05.1928: Die Gemeindevertretung des Kirchspiels Wolbeck nimmt Kenntnis von dem Beschluss der Gemeinde Alverskirchen, den im Kirchspiel Wolbeck liegenden Abschnitt der Everswinkeler Landstraße gegen den von Wolbeck bewilligten Zuschuss von 6000 Mark chausseemäßig auszubauen.
Mo 28.05.1928: Am heutigen Pfingstmontag hält die Nikolai-Bruderschaft ihre Generalversammlung unter dem Vorsitz des Scheffers Heinrich Wegmann ab. Es wird beschlossen, das Schützenfest am 20. und 21. August zu feiern.
Mi 20.06.1928: Der Bau der neuen Chaussee im Kirchspiel Wolbeck von der Kreisstraße Angelmodde-Telgte bis zum Hof Möllenbeck wird öffentlich ausgeschrieben.
Do 21.06.1928: Der Landwirtschaftliche Lokalverein veranstaltet auf der Weide von Hoffschulte in Angelmodde die diesjährige Tierschau. Die Veranstaltung wird durch ein stundenlanges Gewitter mit wolkenbruchartigen Regenfällen gestört.
Do 28.06.1928: Die Amtsversammlung Wolbeck wählt unter dreizehn Bewerbern den Ingenieur August Gocke aus Münster zum nebenamtlich beschäftigten Amtsbaumeister.
Do 28.06.1928: In der Pfarrkirche haben die ersten beiden Fenster des Langhauses neue Glasmalereien aus der Hand von Joh. Matschinski erhalten.
Di 03.07.1928: Die Generalversammlung des Kriegervereins beschließt, das diesjährige Sommerfest am 16. Juli zu feiern. In den Festausschuss werden Tripp, Schmitz, Hohenkirch, Mentrup und Jos. Dammann gewählt. Der traditionelle Zug durch den Tiergarten ist von der Forstverwaltung verboten worden. Der bisherige Festplatz am Forsthaus ist zudem umgepflügt und abgesperrt worden.
So 22.07.1928: Im Thierschen Saale spricht Schwester Maria Victoria aus Oslo über Land und Leute in Norwegen.
Mo 27.08.1928: Der Neubau der Wersebrücke bei Watermann kommt nicht voran. Im Dezember vorigen Jahres begonnen, ist auch jetzt im Spätsommer keine Fertigstellung abzusehen. Aktuell müssen daher alle Erntewagen den Umweg über Albersloh nehmen.
So 07.10.1928: Die Freiwillige Feuerwehr feiert ihr zwanzigjähriges Bestehen mit einer Alarmübung in der Pfarrkirche.
Mo 08.10.1928: Der Arzt Dr. Kemper verlässt Wolbeck und geht nach Gütersloh.
Di 09.10.1928: In Wolbeck steht eine zweistöckige, hochherrschaftliche Villa zum Preis von 30.000 Mark zum Verkauf.
Di 09.10.1928: Heute um 8 Uhr wird an der Gartenbauschule der Unterricht aufgenommen.
Mo 22.10.1928: Die neugegründete Ortsgruppe des Bundes der Kinderreichen kommt zu einer konstituierenden Versammlung zusammen. Vorsitzender wird Schneidermeister H. Schappmann, Schriftführer Amtssekretär Lasthaus, Kassierer Polizeibeamter Dress und Postbeamter Reisener. Die Ortsgruppe umfasst 36 Mitglieder.
Fr 09.11.1928: Mit einem Festakt wird heute die neue Gärtnerlehranstalt eingeweiht.
Fr 09.11.1928: Im neu ausgemalten Lasthausschen Saale veanstaltet der Männergesangverein eine Schubertfeier anlässlich des 100. Todestages des Komponisten.
Do 29.11.1928: Die Gemeindevertretung des Wigbold Wolbeck befasst sich mit dem Neubau der Brücke am Steintor, da sonst die Kanalisierung von Bahnhof- und Münsterstraße nicht möglich ist.
Für die beantragte Vergrößerung des Drostenhofes hat die Gemeinde das Grundstück Reisener für 8000 Mark angekauft.Da diese Kosten nicht im planmäßigen Etat auftauchen sollen, beschließt man die Aufnahme eines Kredits zu 8,5 Prozent Zinsen bei der Kreissparkasse.
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