Stadt und Kirchspiel Wolbeck
Die Chronik

Wolbecker Chronik für das Jahr 1922


<< 1921
So 29.01.1922: Der hiesige Ortsverein der Zentrumspartei veranstaltet im Saale der Witwe Thier einen Unterhaltungsabend. Im ersten Teil des Programms erzählt Kaplan Tertilt aus Münster an Hand von Lichtbildern über das Schicksal der Münsterländer, die nach Brasilien ausgewandert waren. Der zweite Teil bringt mehrere Aufführungen der Gesellschaft "Erholung" auf die Bühne. Höhepunkt des Abends ist ein plattdeutsches Schauspiel, in dem vor den Gefahren des "ewigen Juden" für den westfälischen Bauern gewarnt wird.
Mo 27.02.1922: Am Vormittag findet sich in der Münsteraner Töchterschule ein Mann ein, der die 13jährige Tochter von Ewald Bischoff nach Hause holen möchte, weil dem Vater ein Unglück zugestoßen sei. Da der Mann in Begleitung des Schuldieners vorspricht, schöpft man keinen Verdacht und entlässt das Kind.
Auf dieselbe Art und Weise wird kurz darauf auch der 12jährige Sohn aus einer anderen Schule abgeholt. Da die Tochter einige Bücher in der Schule zurückgelassen hatte, bringt ihre Schulfreundin sie mittags zur Wohnung am Ludgeriplatz. Dort wird sofort klar, dass eine Entführung vorliegen muss, da Ewald Bischoff zusammen mit seiner Frau am Morgen nach Wesel gefahren war. Beide werden telefonisch zurückgerufen.
Die Polizei fährt zum Fronhof, findet im Wagen auf dem Hof einige Schulbücher und verhaftet den Knecht als dringend verdächtig. Gleichzeitig macht sich eine Gruppe von Männern auf die Suche nach den Kindern und findet sie gegen 22 Uhr gefesselt in einem Fichtendickicht, das als "Hexenkessel" bekannt ist. Die Kinder hatten sich auf Grund der Rufe eines Suchtrupps bemerkbar machen können.
Da die Kinder den hauseigenen Knecht nicht als ihren Entführer erkennen, macht sich die Polizei auf die Suche nach dem Täter und verhaftet am Folgetag den 17jährigen Schüler Hans Giese (Nach einer anderen Quelle ist der Familienname "Gruber"), gebürtig aus Bottrop, wohnhaft in Haltern, der in Münster eine Fachschule besuchte.
Er hatte eine Droschke gemietet und war mit den beiden Kindern bis kurz hinter Wolbeck gefahren. Dann war er zusammen mit den Kindern ausgestiegen, um ihnen zu zeigen, wo im Wald ihr Vater liege. Dort hatte er sie gefesselt und war nach Münster zurückgefahren. Später hatte er Ewald Bischoff um ein Lösegeld erpressen wollen, um sich damit nach Amerika abzusetzen.
Am 2. Mai verurteilt ihn die Strafkammer wegen Erpressung in Tateinheit mit Kindesraub zu zwei Jahren Gefängnis. Am 1. August hebt der Reichsgerichtshof das Urteil auf und verweist es zur erneuten Verhandlung an die Vorinstanz zurück, da die Vorwürfe nicht bewiesen worden seien. Über den weiteren Verlauf des Verfahrens liegen keine Unterlagen vor.
Do 04.05.1922: Der Landwirtschaftliche Lokalverein des Amtes Wolbeck hält im Gasthof Thier unter Vorsitz des Gutsbesitzers Schenking-Olstrup seine Generalversammlung ab. Es spricht Dr. Puste aus Münster über die westfälische Pferdezucht.
Di 04.07.1922: Der Landwirtschaftliche Lokalverein des Amtes Wolbeck hält das diesjährige Tierschaufest beim Gasthof Elberfeld in Albersloh ab.
Do 13.07.1922: Der Landwirtschaftliche Kreisverein Münster hält an der Gastwirtschaft "Hof zur Linde" in Handorf sein diesjähriges Tierschaufest ab. Nach der Eröffnung am frühen Morgen findet gegen Mittag die Prämiierung statt, wobei die ausgezeichneten Tiere mit Kränzen an den Besuchern der Ausstellung vorbei geführt werden.
Die Ergebnisse aus Wolbecker Sicht:
- Stuten mit Fohlen, westfälischer Arbeitsschlag: 1. Ewald Bischoff mit "Diana vom Frohnhof"
- Stuten gedeckt, westfälischer Arbeitsschlag: 1. Ewald Bischoff mit "Diana d'Hor"
- 3jährige Fohlen, westfälischer Arbeitsschlag: 1. Ewald Bischoff mit "Daisy vom Frohnhof"
- 2jährige Fohlen, westfälischer Arbeitsschlag: 6. Josef Hohenkirch mit "Olga"
- 1jährige Fohlen, westfälischer Arbeitsschlag: 2. Ewald Bischoff mit "Diplomatin vom Frohnhof"
- Hengste über 3 Jahre, westfälischer Arbeitsschlag: 1. Ewald Bischoff mit "Idealist Nr. 850"
-&nsbp;Familienpreis für Stuten mit drei unmittelbaren Nachkommen: Ewald Bischoff
- Bullen: 3b. Josef Hohenkirch mit "Jacob"
- Eber: 1. Ewald Bischoff mit "Sultan"
- Ziegen: 2. Clemens Schwaer (Anmerkung: Zwar liegen die Preislisten vor, jedoch fehlt bei den Züchtern die Angabe des Herkunftsortes. Insofern sind hier alle Personen gelistet, die im Einwohnerverzeichnis Wolbecks nachgewiesen sind.)
Mo 17.07.1922: Bei einem schweren Einbruchdiebstahl in der Villa des Holländers van Vloten gegenüber der Apotheke erbeutet der Maler Franz Mika diverse Silberwaren. Als er von den Bewohnern gestört wird, flieht er und bricht in die gegenüberliegenden Apotheke ein. Das Schöffengericht Münster verurteilt ihn im Jahre 1928 wegen zahlloser weiterer Einbrüche in den vergangenen Jahren zu einer Woche Zuchthaus.
So 23.07.1922: Beim Gesangswettstreit in Buldern erringt der MGV "Eintracht" in der Landklasse den 1. Klassenpreis, den 1. Ehrenpreis und den 1. Hauptehrenpreis.
Mo 28.08.1922: Am Nachmittag findet eine Versammlung der Vertreter des Amtes Wolbeck statt, die sich mit den Gerüchten um die Amtsenthebung des Landrates Graf von Westphalen befasst.
So 17.09.1922: Auf der Leistungsprüfung des Westfälischen Pferdestammbuches erringt die Stute "Marta" von A. Markfort den dritten Platz.
Sa 21.10.1922: Ein Wolbecker Jäger schießt in der Nähe von Angelmodde ein schneeweißes Wildkaninchen.
So 29.10.1922: Dem Landwirt Ostrop werden in der Nacht zum Sonntag sechs Zentner Roggen und ein ledernes Wagenverdeck gestohlen. Die Polizei in Münster verhaftet am 4. November den Täter.
Di 28.11.1922: Fräulein Wilhelmine Thier stirbt in hohem Alter in Wolbeck. Sie hat fünfzig Jahre lang die Töchterschule in Rheine geleitet und lebte seit 1905 in Münster und später in Wolbeck. (Anmerkung: Bisher konnte kein entsprechender standesamtlicher Beleg gefunden werden)
So 10.12.1922: Aus der Mühle in Wolbeck werden sämtliche Treibriemen im Gesamtwert von annähernd drei Millionen Mark gestohlen.
1923 >>  Indexseite